Können sich Hunde mit dem Coronavirus infizieren?

Interview mit Prof. Dr. Uwe Truyen, Direktor des Instituts für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen an der Universität Leipzig

VDH: Wir werden täglich rund um die Uhr mit so vielen Informationen rund um das Coronavirus versorgt, da verlieren nicht wenige die Übersicht und widersprüchliche Meldungen sorgen im besten Fall für Verwirrung oder vergrößern noch die Furcht der Menschen vor der Pandemie. Coronaviren spielen in der Human- und in der Veterinärmedizin eine große Rolle und Hundehalter fragen sich, ob sich auch ihr Vierbeiner damit infizieren können und ob auch eine umgekehrte Ansteckung – wie zum Beispiel bei der Tollwut – denkbar ist, also ein infizierter Hund oder auch eine infizierte Katze den Menschen anstecken kann?

Prof. Truyen: Es gibt eine Vielzahl von Coronaviren bei Mensch und Tier, mit denen wir schon viele Jahre und Jahrzehnte leben. Beim Hund spielen zwei Coronaviren eine gewisse Rolle als Durchfallerreger, der insbesondere im Zusammenspiel mit Parvoviren schwere Krankheitsbilder bei Welpen verursachen kann und ein zweites Coronavirus, das vor allem Atemwegsinfektionen hervorrufen kann. Das Coronavirus, das beim Menschen COVID-19 auslöst, ist neu. Es wurde im letzten Jahr erstmals beschrieben und hat seinen Ursprung wahrscheinlich in einem Virus der Fledermaus. Dieses als SARS-CoV2 bezeichnete Virus verursacht im Menschen ein schweres Krankheitsbild, das in vielen Fällen zum Tod führen kann und es breitet sich rasant unter den Menschen aus. Diese Übertragung von Mensch zu Mensch geschieht vornehmlich über Tröpfcheninfektion und ist außerordentlich effizient, so dass man davon ausgeht, dass andere Übertragungswege oder andere Tiere für die Infektion des Menschen keine oder nur eine theoretische sehr kleine Rolle spielen. Dies mag sich aber mit zunehmendem Wissen über das Virus ändern.
Experimentelle Infektionen von Hunden in China führten zu keiner Infektion oder Krankheit.
Der Hund scheint also für das Virus nur sehr wenig empfänglich zu sein, so dass man davon ausgehen kann, dass er für den Menschen trotz enger Kontakte keine Ansteckungsgefahr darstellt.

Bei der Katze ist es möglicherweise anders. Hier sind Infektionen bei Katzen von COVID-19-Patienten beschrieben, die Krankheitssymptome zeigten. Großkatzen (Tiger und Löwen) im Bronx-Zoo in New York City wurden wahrscheinlich von ihrem Tierpfleger infiziert.
Experimentelle Infektionen von Katzen führten zu Krankheitssymptomen und zur Ausscheidung des Virus und zur Übertragung auf eine Kontaktkatze.
Insgesamt gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass unter natürlichen Bedingungen das Virus von Hund oder Katze auf den Menschen übertragen worden ist.

VDH: In den Medien wird von einem infizierten Hund in Hongkong berichtet und auch Berichte von erkrankten Katzen und Frettchen verbreiten sich in den sozialen Medien, wobei eine Überprüfung der Fakten oft unterbleibt oder schwerfällt. Bei welchen Tierarten konnte bisher bereits das SARS-CoV-2 gefunden werden?

Prof. Truyen:
Insgesamt sind weltweit nur zwei Hunde beschrieben worden, bei denen das SARS-CoV2, oder besser Teile des Virus (Nukleinsäure) nachgewiesen wurden. Beide Hunde lebten in Hongkong, das von der Pandemie schwer betroffen war. Der erste Hund war ein 17-jähriger Zwergspitz, der bei einem COVID-19-Patienten lebte und unabhängig vom SARS-CoV2 an verschiedenen Krankheiten litt. Dieser Hund reagierte in mehreren Testen schwach positiv, es konnte aber niemals infektiöses Virus in dem Hund nachgewiesen werden. Nach zwei Tests mit negativem Ergebnis konnte der Hund die Quarantäne verlassen und kam zurück zu seinem Besitzer, der seine Infektion ebenso überstanden hatte. Leider verstarb der Hund drei Tage später an einer Erkrankung, die aller Wahrscheinlichkeit nach unabhängig von der SARS-CoV2-Infektion war.
Ein zweiter Hund war ebenfalls in Hongkong ein 2-jähriger Schäferhund, der keinerlei Krankheitssymptome zeigte, aber positiv getestet wurde. Er gehört ebenfalls einem COVID-19-Patienten.

VDH: Nun wollen wir aber endlich auf den Hund kommen. Müssen Hundehalter sich sorgen, von ihrem Gefährten angesteckt zu werden? Und sei es nur, weil der Hund das Virus trägt, ohne selber Krankheitsanzeichen zu zeigen.

Prof. Truyen: Wie oben ausgeführt, scheint der Hund nur sehr wenig empfänglich für das Virus zu sein und kein Virus auszuscheiden. Nach allem was wir heute wissen, geht also von einem Hund keine Gefahr für den Menschen aus.
Das Virus ist relativ empfindlich in der Außenwelt und bleibt unter natürlichen Bedingungen nur wenige Stunden in der Außenwelt infektiös. Eine passive Verschleppung, wie wir sie bei sehr stabilen Viren, wie den Parvoviren, sehen, spielt hier keine Rolle.

VDH: Wie ist es umgekehrt? Wie sieht es bei einem positiv getesteten Tierhalter aus? Kann der seinen Hund oder die Katze infizieren?

Prof. Truyen:
Die bekannten Fälle bei Hund und Katze entsprechen genau diesem Szenario. Der infizierte Mensch hat wahrscheinlich das Virus auf den Hund oder die Katze übertragen. Da es nur sehr wenige Untersuchungen gibt, ist es weitgehend unbekannt, ob das häufiger oder nur sehr selten vorkommt, da die Tiere meist keine Symptome (Hund) oder nur milde Symptome (Katze) zeigen. Hier wird die Zukunft mit den jetzt verfügbaren Tests sicher ein klareres Bild bringen.

VDH: Wie sollen Tierhalter vorgehen, die selber betroffen sind, unter häuslicher Quarantäne stehen und auf Hilfe angewiesen sind. So sind es häufig Freunde oder Nachbarn, die dann den Hund ausführen. Gibt es besondere Verhaltensregeln bei der Übergabe des Tieres? Kann sich der freundliche Helfer über den Kontakt mit dem Tier infizieren?

Prof. Truyen:
Ja, hier heißt es sehr aufmerksam und vorsichtig zu sein. Das Virus kann eine tödliche Erkrankung beim Menschen verursachen. Es ist ein sehr gefährliches Virus!
Die Tiere sind mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht infiziert, dennoch kann man es nicht ausschließen und sie könnten theoretisch das Virus auf den Menschen oder ein anderes Tier übertragen. Bisher wurden Tiere nicht getestet, um die volle Testkapazität für die menschlichen Patienten bereitzustellen. Das wird sich in Zukunft entspannen, so dass eine regelmäßige Untersuchung dieser Tiere möglich sein wird.
Die Einhaltung der Hygieneregeln sind insbesondere beim Kontakt mit einer infizierten Person unbedingt zu beachten. Hier spielt Schutzkleidung wie Handschuhe und Mundschutz und vor allem die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes eine große Rolle. Ein vorsichtiger und umsichtiger Umgang ist auch mit den Tieren angezeigt, die Vermeidung von Ablecken durch das Tier und gründliches und regelmäßiges Händewaschen nach Berührung der Tiere sind sicherlich ausreichend, um ein noch so geringes Risiko weiter zu minimieren. Eine regelmäßige Reinigung von Leine und Halsband mit Seife und ggf nachfolgender Desinfektion kann beruhigen. Eine Desinfektion des Tieres ist in keinem Fall angebracht und schadet dem Tier mehr als es nutzt!

VDH: Nun sind glücklicherweise die meisten Menschen bei uns noch gesund. Haben Sie für die Empfehlungen für den Alltag mit Hund? So haben wir alle gelernt, uns häufig und intensiv die Hände zu waschen. Sollten wir auch besondere Hygienemaßnahmen beim Hund beachten? Zum Beispiel, wenn wir vom Spaziergang nach Hause kommen?

Prof. Truyen:
Händewaschen, Händewaschen und Händewaschen ist das Geheimnis. Das Virus ist labil und hat eine Hülle, die durch Seife und alle gängigen Desinfektionsmittel rasch zerstört wird. Mit der Zerstörung der Hülle verliert das Virus seine Infektiosität. Eine Einschleppung des Virus in den Haushalt durch den Hund ist daher praktisch auszuschließen.

Das Interview führte Udo Kopernik, Vorstandsmitglied des VDH